Hochtemperatureigenschaften von Hartmetallen
1. Hartmetalleinsatz bei erhöhten Temperaturen
Wie in der Medizin die Temperaturabweichung vom Durchschnittsmaß nach oben als erhöhte Temperatur definiert ist, so ist auch für Hartmetalle der Temperaturbereich oberhalb der normalen, zuträglichen Arbeitstemperatur als erhöhte Temperatur definiert.
Als allgemeingültige Grenze sind dafür ca. 600 °C anzusetzen, obwohl diese Festlegung strenggenommen nur für den Hartmetalltyp WC-Co gilt. Bei Zusätzen von TiC, TiCN und Cr3C2 oder bei Ti-Basis-Legierungen (Cermets) erhöhen sich diese Temperatur signifikant.
2. Chemische Beständigkeit
- Das Hochtemperaturverhalten der Hartmetalle ist in erster Linie von der Arbeitsatmosphäre abhängig.
- WC-Co-Hartmetalle gelten als praktisch nicht oxidationsbeständig bzw. nicht zunderbeständig.
- WC-(Ti,Ta,Nb)C-Co-HM gelten etwa ab 650 bis 700 °C, WC-TiC-Co-HM ab etwa 750 °C und Cermets gar erst ab 1200 °C als nur bedingt einsetzbar.
- Bereits ab ca. 700 °C und einer Dauer von 24 Std. ist in Luftatmosphäre mit einer Gewichtszunahme durch Oxidation in der Größenordnung von > 1 % zu rechnen
- Bei höheren Temperaturen ist die Gewichtszunahme um ein Vielfaches größer
z. B.
Temperatur |
Dauer in Std. |
Gewichtszunahme in % |
800 |
1 |
0,8 |
900 |
1 |
3,5 |
1000 |
1 |
6,3 |
- Die oben gemachten Aussagen gelten gleichermaßen für alle WC-Co- Hartmetalle. Für Feinst- und Ultrafeinstkornsorten ist die Oxidationsbeständigkeit nur unwesentlich besser.
- WC-Co-Sorten sollten daher nicht über 500 °C in Luftatmosphäre dauerhaft eingesetzt werden.
- Die WC-Ni-Hartmetalle sind wegen ihrer Zusammensetzung, insbesondere auf Grund des Cr-Gehaltes beständiger.
- Bessere Zunderfestigkeit besitzen dreiphasige Hartmetalle. Besonders gute Ergebnisse liefern TiC-legierte Hartmetalle oder aber TiC-Ni-Co-Cr-Hartmetalle, die auch bei 1200 °C nach 60 Std. noch stabil sind.
- Gegenüber Stickstoff verhalten sich Hartmetalle indifferent. Bei gleichzeitiger Druckbeaufschlagung kommt es jedoch im oberflächennahen Bereich (ca. 50 nm)
3. Warmhärte
- Mit steigender Temperatur nimmt die Härte von WC-Co-Hartmetallen ab. Dieser Härteabfall ist jedoch wesentlich geringer als der von Schnellstahl im gleichen Temperaturintervall.
- TiC- und (Ta,Nb)C-Zusätze erhöhen die Warmhärte erheblich; gleichzeitig verringern sie die Abnahme der Warmhärte bei steigender Temperatur.
- Bei langer Verweildauer im Hochtemperaturfeld nimmt die Härte ab, da durch Rekristallisation bzw. Kornvergröberung eine Strukturvergrößerung eintritt, mit der ein Härteabfall einhergeht.
- Hartmetallsorten mit hohem Mischkarbidanteil wie z. B. S25 oder S40 besitzen bei 800 °C noch eine Härte von ca. 800 HV30, während die WC-Co-Sorte F10 unter diesen Bedingungen nur ca. 550 HV30 aufweist. Dennoch wird F10 erfolgreich z. B. als Schaftwerkzeug zur Stahlbearbeitung eingesetzt; der Erfolg wird durch eine Beschichtung des Schneidenbereichs mit einer hochwarmfesten, reinen Hartstoffschicht gewährleistet.
Abb 1. Härte von HM-Legierungen in Abhängigkeit von der Temperatur
- Im oben definierten Temperaturbereich ist die Härte trotz Abfalls immer noch mit der von Stahl bei RT vergleichbar.
4. Biegefestigkeit
- Bereits ab ca. 400 °C erleidet die Biegefestigkeit bei den WC-Co-Sorten einen merklichen Abfall.
- Bei den WC-(Ti,Ta,Nb)C-Co-Hartmetallen ist bis etwa 200 °C mitunter sogar eine geringe Zunahme zu verzeichnen.
- Im höheren Temperaturbereich bis 800 °C tritt bei allen Hartmetallen ein merklicher Verlust an Biegefestigkeit auf.
- Als Faustregel gilt, je höher der Co-Gehalt, umso höher ist auch der Biegefestigkeitsabfall. Zähere Sorten verlieren anteilmäßig mehr an Biegefestigkeit als härtere Sorten.
- In Abhängigkeit von dieser Eingruppierung beträgt die Biegefestigkeit bei ca. 800 °C noch etwa 900 bis 1600 MPa.
Biegefestigkeit eines WC-6Co-HM als Funktion der Temperatur
- Derartige Festigkeitsverluste treten insbesondere bei CVD-beschichteten Hartmetallen ein, wenn Hochtemperaturbeschichtungsverfahren bis ca. 1100°C angewendet werden.
5. Wärmeausdehnung
- Gegenüber den Stahlwerkstoffen ist die Wärmedehnung der Hartmetalle nur halb so groß.
- Der Wärmeausdehnungskoeffizient der Hartmetalle ist abhängig vom Bindergehalt.
- Für Hartmetalle beträgt sie etwa 5 bis 7,5 * 10-6/K.
6. Warmfestigkeit
- Die Festigkeit der Hartmetalle bei erhöhten Temperaturen ist das Charakteristikum dieser Legierungen und macht sie dadurch so unentbehrlich für den technischen Einsatz. Sie wird statisch bei Druck- wie auch dynamisch für Biege- und Wechselbelastungen ausgenutzt.
- Insbesondere bei den Schneidhartmetallen bedient man sich der vorzüglichen Druckfestigkeit bei Temperaturen bis zu 1100 °C an der Spanfläche.
- In der Umformtechnik treten derartig hohe Temperaturen nicht auf. Der Bereich höherer Temperaturen sollte aber dennoch nicht verwendet werden, weil die Festigkeitseigenschaften der meist hochkobalthaltigen Hartmetalle ohnehin geringer sind und wegen des hohen Co-Gehalts dann signifikant schnell weiter abfallen.
- Unter erhöhten Temperaturen ist auch die Druckfestigkeit noch signifikant hoch; eine Anwendung zur Warmumformung bzw. generell zur Umformung von Materialien, bei denen immer Wärme frei wird, wäre sonst nicht möglich.
- Der E-Modul von Hartmetallen ist etwa dreimal so hoch wie der von Stahl. Unter Temperatureinwirkung verringert er sich, ohne jedoch den von Stahl zu erreichen,
d. h. Hartmetall ist immer noch das steifste Material..
7. Wechselfestigkeit, Ermüdungsfestigkeit
- Die Warmfestigkeit läßt sich in gewissen Grenzen durch Zusätze von TaC verbessern, dies trifft insbesondere für die Wärmewechselfestigkeit zu.
- Letztendlich ist das Leistungsvermögen im Hochtemperatureinsatz durch die sprichwörtliche Festigkeit oder aber besser durch die verzögert einsetzende Ermüdung des Hartmetalls bedingt.
- Die mechanische Wechselfestigkeit bei erhöhten Temperaturen verhält sich in etwa wie die Druckfestigkeit; sie ist bei geeigneten Atmosphären besser als die anderer Werkstoffe.
- Dauerfestigkeitsverluste treten in signifikanter Form erst bei sehr erhöhten Temperaturen auf.